INTERVIEW

«Bilder von Pjöngjang, die niemand auf der Welt je gesehen hat.»

Nach ihrem Portrait des nordkoreanischen Frauenfußball-Dreamteams der frühen 2000-er Jahre (Hana, dul, sed... … 2009) verspürten die Filmemacherin Brigitte Weich und ihre Bildgestalterin Judith Benedikt den Wunsch zu erfahren, wie das Leben ihrer außergewöhnlichen Protagonistinnen nach dem Ende der aktiven Sportkarriere weiterging. In einer flüchtigen Überwindung der Isolation gelingt …... NED, TASSOT, YOSSOT ... …über den Schutzwall der Diktatur hinweg ein unermüdlicher, vielschichtiger Versuch nach Verbundenheit.


Wir sprechen heute nicht nur über einen aktuellen Film, sondern über seine zwanzigjährige Geschichte, die untrennbar dazu gehört. Die Erfolgsgeschichte des nordkoreanischen Frauenfußballs in den frühen 2000er Jahren war für Ihre beiden Filme Hana, dul, sed... …(2009) und jetzt ...NED, TASSOT, YOSSOT... … nur ein Aspekt. Wie ist es zu dieser künstlerisch wie menschlich folgenreichen Begegnung gekommen?  

BRIGITTE WEICH:
Es war alles Zufall. Zufall. Zufall. Ich hatte nie geplant, einen Film zu machen, ich hatte von Nordkorea keine Ahnung, ich wusste nicht, dass Frauenfußball als Sportart existiert. Meine erste Berührung mit Nordkorea war beim Pjöngjang-Filmfestival 2002. Ein halbes Jahr später, im Juni 2003, haben wir das erste Material gefilmt, das jetzt auch in ... NED, TASSOT, YOSSOT ... zu sehen ist. Ich hatte mir einfach mal das Land anschauen wollen, und die Gelegenheit ergab sich, als Michael Glawoggers Film Frankreich, wir kommen! dort gezeigt wurde. Fußball war ein präsentes Thema: Zum einen durch Michaels Film, zum anderen lief der erste von einem westlichen Team in Nordkorea gedrehte Film, eine Arbeit über das nordkoreanischen Männer-Fußballwunderteam von 1966. So kam die Rede darauf, dass die nordkoreanischen Frauen gerade Asienmeisterinnen geworden waren. Ich wollte gerne ein Match sehen, v.a. deshalb, um mal einen „echten“ Ort in dem Land zu erleben, in dem ich bis dahin nur an die Verehrungsstätten des Regimes geführt worden war. Es war aber ein Ding der Unmöglichkeit, und so sagte ich bei meiner Abreise leichthin: Man sollte einen Film über sie machen. Zurück in Wien erhielt ich nach einigen Tagen ein Fax mit nordkoreanischem Briefkopf und der Frage, wie es mit unserem Projekt über den Frauenfußball stehe. Es kam von Ryom Mi Hwa, Mitarbeiterin der staatlichen Korfilm, die meine Bemerkung ernst genommen hatte. Sie hat von Beginn an das Ganze mit uns durchgezogen. Ich hab‘ zunächst nach möglichen Regisseurinnen und Firmen gesucht, und … naja (lacht) ... zwanzig Jahre später bin das wohl immer noch ich.


Judith Benedikt, Sie sind seit den ersten Dreharbeiten als DoP dabei. Wie sind Sie in dieses Projekt hineingewachsen?

JUDITH BENEDIKT:
Ich bin seit dem ersten Dreh beim Asien Cup 2003 in Bangkok dabei. Brigitte und ich haben uns erst dort kennengelernt.

BRIGITTE WEICH: Michael Glawogger, ein großer Mentor dieses Projekts, stand eines Tages vor meiner Tür und überreichte mir wortlos eine Kamera und eine Schachtel Tapes. Mit dem Faktum des Geräts konfrontiert, brauchte ich jemanden, der:die es bedienen konnte. Im Zweifel, ob es eher eine Fach-Person oder eine vertraute Person sein sollte, habe ich herumgefragt, und zeitgleich die Zusage von Heinrich Pichler, den gut kannte, und Judith, die eine ausgebildete Kamerafrau war, bekommen. Ich hab mir dann den Wunsch erfüllt, mit beiden auf die erste Reise zu gehen, was Aufnahmen von Judith an der Kamera ermöglichte, die für den zweiten Film wichtig waren. Im Verlauf des Turniers wuchs ein Dreieck zwischen den Spielerinnen, Judith und mir, und ab da war klar, wir geben das nicht mehr her, koste es was es wolle.  

JUDITH BENEDIKT: Ab dieser ersten Bangkok-Reise war ich ein Fan des Projekts, und wir haben begonnen, mit den Protagonistinnen den Kontakt aufzubauen. Die Kamerapräsenz war sehr ungewohnt für sie. Wir haben uns in kleinen Schritten bei den Trainings angenähert, irgendwann durften wir in den Teambus einsteigen. Ich habe ihnen auch die Kamera gegeben und sie selbst filmen lassen. Da wir sprachlich nicht kommunizieren konnten, haben wir übers Filmen Nähe aufgebaut. Zwei Jahre lang sind wir ihnen nachgereist, wann immer sie im Ausland ein Spiel hatten.


Wie ist aus dem Nachleben des ersten Films die Idee zu einem zweiten gereift?

JUDITH BENEDIKT:
Wir haben immer wieder die Idee der Langzeit-Doku diskutiert. Und dann spontan das Preisgeld für den Großen Diagonale-Preis für eine weitere Nordkoreareise verwendet, um den Protagonistinnen den Film zu zeigen und um Bonusmaterial für die DVD von Hana, dul, sed ... zu drehen.

BRIGITTE WEICH: Unser erster Film war nicht auf Wohlwollen bei den nordkoreanischen Behörden gestoßen und ist daher offiziell nie dort gezeigt worden. Ich wollte aber, dass die Fußballerinnen den Film sehen, und so haben wir eine Vorführung in den Drehplan für das neue Projekt geschrieben, im schönsten Kino der Stadt, und wir drei „Musketierinnen“, Judith, Cordula Thym (Ton) und ich sind mit einer Schachtel mit der 35mm-Kopie nach Pjöngjang gereist.

JUDITH BENEDIKT: Wir hatten sieben Drehtage, an denen wir, ohne zu wissen, dass wir so schnell nicht wieder dort drehen können würden, das Material für … ...NED, TASSOT, YOSSOT... … eingefangen haben. Neu war dabei, dass unsere Protagonistinnen sehr motiviert waren, vor der Kamera zu erzählen: Wir hatten ein großes Vierer-Gespräch im Hotel und ein ausführliches Zweiergespräch mit den Freundinnen Hyang Ok und Mi Ae im Kaffeehaus. Es war unglaublich. Im ersten Film war es so schwer, sie zum Reden zu bewegen. Und dieses Mal sprudelte es nur so raus aus ihnen. Sie haben viel Offenheit und Nähe zugelassen. Wahrscheinlich waren sie auch angeregt durch die Projektion des ersten Films, den Sie richtig gerne mochten, auch das Kinopublikum war fasziniert. Alle im Saal hatten wohl zum ersten Mal einen richtigen Dokumentarfilm gesehen.

JUDITH BENEDIKT: Unser erster Film hatte eine eher statische Kamera, und für …...NED, TASSOT, YOSSOT... …war es Teil unseres Konzepts, mit der Kamera flexibler zu reagieren und mehr spontane Szenen zu drehen, damit man auch ein Gefühl für das Leben dort bekommt. Es sind schöne und lustige Momente entstanden. Auch die GoPro, die ich täglich vorne an unserem Drehbus angebracht habe, unterstützte dieses Konzept: Die Aufnahmen zeigen völlig unzensuriert, was wir gesehen haben, wenn wir durch Pjöngjang gefahren sind. Dieser Dreh hat 2012 stattgefunden und war auch die einzige wirkliche Drehreise. Wir waren dann noch 2016 beim Filmfestival, damals habe ich noch ein paar „Stadtfahrten“ inoffiziell mit dem iPhone gefilmt.


Welche Freiheiten und Möglichkeiten hat man, wenn man in Pjöngjang Außenaufnahmen machen will?

JUDITH BENEDIKT:
Für den ersten Film gab es sehr restriktive Vorgaben: Darstellungen der Führer mussten immer symmetrisch und frontal aufgenommen werden, es durften keine Leitungen durch die Gesichter der Führerbilder gehen, die Schriftzüge, die man überall in der Stadt sieht, durften nicht angeschnitten sein. Bei einem Dreh hatten wir sogar einen Kameramann dabei, der jedes Bild kontrollieren wollte. Für …...NED, TASSOT, YOSSOT... … war alles entspannter; für die GoPro z. B. habe ich am ersten Drehtag einfach spontan gefragt und niemand hatte etwas dagegen – leider war es eine ältere Generation, die noch einen sehr schlechten Bildstabilisator hatte. Irgendwann haben sie es dann doch verboten, dennoch haben wir einige spektakuläre Straßen-Aufnahmen, die jetzt ein wichtiger Teil des Filmes sind. Abends mussten wir das Material in die Zensur bringen. Es war 2012 nicht mehr so wie bei Hana, dul, sed ..., wo es ein Zimmer in unserem Hotel gab, in dem rauchende Männer in Unterhemden saßen, und wo ich, da wir kein gängiges Kassettenformat hatten, immer die ganze Kamera lassen musste. Das war aufregend, weil wir das Original aus der Hand gegeben haben.
2012 hatten wir schon mit Speicherkarten gedreht. Nachdem ich die Daten mehrfach gesichert hatte, brachte ich nur eine Festplatte zur Zensur ohne das Material, bei dem ich dachte, dass es ein Problem sein könnte. Sozusagen eine kleine Zensur vor der Zensur. Es war uns damals schon klar, dass wir Bilder von Pjöngjang zeigen werden, die niemand auf der Welt je gesehen hat.

BRIGITTE WEICH: Das Interessante war, dass sie uns nie etwas abgenommen haben, sondern nur gesagt haben, was sie nicht wollten. Eine „drollige“ Art von Zensur. Aber dennoch übergeht man ihre Einwände nicht leichtfertig, allein schon aus Verantwortung für die nordkoreanischen Mitwirkenden. Seit Anfang 2020 ist wegen Corona keinerlei Einreise mehr möglich, daher kommt …... NED, TASSOT, YOSSOT... …jetzt auch raus, ohne dass ich Feedback von meinen Mitwirkenden habe.


Gerahmt und strukturiert ist der Film durch Sequenzen mit musizierenden oder tanzenden Kindern. War es ein Anliegen, das Thema Erziehung in einem totalitären System zu beleuchten, die frühe Einbindung ins Kollektiv, wo Leistung im Zusammenklang funktioniert und im Dienst des großen Führers steht. Auch das Gruppen- und Teambild ist ein wiederkehrendes Motiv im Film.

BRIGITTE WEICH:
Diese Beobachtung ist richtig. Es ist eines der Dinge, wo es mich frappiert hat zu beobachten, wie unterschiedlich wir sozialisiert sind: Etwa beim Schlussroller war es mitunter schwierig, Credits für Einzelleistungen zu nennen, weil nur das Kollektiv zählt. Zum Beispiel Ryom Mi Hwa, die alles für beide Filme organisiert hat, und Jang Hyang Gi, die unermesslich viele Stunden übersetzt hat: Diese beiden für das Entstehen der Filme so essentiellen Frauen haben immer wieder gesagt, ihre Namen sollten nicht genannt werden, da das Individuum keine Wichtigkeit habe. Ich habe eine Lösung gefunden, die hoffentlich „argumentierbar“ ist, denn die Nennungen sollen natürlich für sie nicht problematisch werden. Aber auch für die Erzählung der Filme gab es diese Diskrepanz, dass wir uns für die Protagonistinnen persönlich, für ihre Erlebnisse und Gefühle interessiert haben, während es für sie nachgerade verpönt schien, über sich selbst zu reden. Das Land, das Volk, der Führer gehen vor. Ein kultureller Clash: Ich traf als westliche Filmemacherin auf vier Frauen und war auf deren Leben neugierig, sie fanden mein Interesse, glaube ich, eher befremdlich. Aber das hat sich mit der Zeit geändert. Wir haben „kulturell aufeinander abgefärbt“.

JUDITH BENEDIKT: Der Aspekt des Kollektivs ist durch die tolle Schnittarbeit von Barbara Seidler und Mona Willi sehr stark betont. Für mich war es wichtig, diese unterschiedlichen Frauen zu zeigen, die Gegensätze – die Mädchen, die Musik machen oder tanzen und die Fußballerinnen, die so stark sind und das Gegenteil dieser lieblichen Mädchen transportieren. Das ist für mich die vorrangigere Aussage.


Warum sind eigentlich aus diesem Dream-Team der frühen 2000-er Jahre ausgerechnet diese vier Spielerinnen – Ra Mi Ae (Verteidigung), Jin Pyol Hi (Angriff), Ri Jong Hi (Tor) und Ri Hyang Ok (Mittelfeld) – die Protagonistinnen geworden?

JUDITH BENEDIKT:
Schon bei unserem allerersten Dreh in Bangkok haben sich für Brigitte und mich klare Favorites herauskristallisiert. Die Torfrau, die Stürmerin und die Verteidigerin erschienen uns am interessantesten und Hyang Ok, die Mittelfeldspielerin, hat sich eigentlich ein bisschen dazu „geschummelt“. Sie war plötzlich immer dabei, als wir erstmals in Pjöngjang gedreht haben.

BRIGITTE WEICH: Das war auch so eine Serendipity, dass wir dann, eigentlich zufällig, aus jeder Spielposition eine hatten. Mir ist in Bangkok, wo ich noch kaum Ahnung von Frauenfußball hatte, gleich die Torfrau ins Auge gestochen, weil es davon nur eine gibt. Ich hab ihr sehr viel beim Training zugeschaut, das atemberaubend war. Es ging ja nicht nur um die Matches, wir haben jeden Tag Stunden bei den Trainings verbracht. Judith hat stundenlang fallende, rennende, dehnende, schwitzende und spuckende Fußballerinnen gefilmt. Die Trainings waren unheimlich hart, wobei sie uns an einer Stelle sagen, dass wir bei den richtig harten Trainingsmomenten nicht dabei waren. Jin Pyol Hi war damals asienweit die beste Stürmerin, sicherlich eine der besten der Welt. Ich hatte das gar nicht gecheckt, hab immer nur auf die Torfrau geschaut. Irgendwann sagte Judith: Die 10 ist aber auch nicht schlecht – wir haben sie anfangs nur über ihre Shirt-Nummern identifiziert: selbe Frisur, selbe Statur, gleiche Klamotten. Ich hab anfangs die Namen anhand eines Teamfotos im Turnier-Programmheft regelrecht auswendig gelernt. Ra Mi Ae schließlich ist uns damals schon aufgrund ihrer Persönlichkeit irgendwie aufgefallen. Und beim ersten Dreh in Pjöngjang hat dann Ri Hyang Ok sich selbst ins Spiel gebracht. Es hat sich herausgestellt, dass Mi Ae und Hyang Ok beste Freundinnen waren, das war super für die Filme, denn sie funktionieren gut zusammen und sind einfach lustig vor der Kamera oder teilen auch emotionale Dinge. Hyang Ok hat dann durch ihre internationale Schiedsrichterinnen-Karriere eine Sonderstellung bekommen, und da sie dafür Englisch lernen musste, konnten wir dann mit ihr direkt kommunizieren. So sie ist aus dem Abseits beinahe zur Hauptprotagonistin geworden.


Der Erfolg der Spielerinnen führte dazu, dass eine TV-Serie über sie produziert wurde, Ausschnitte daraus liefern in der Montage eine interessante Kollision zwischen Phantasie und Wirklichkeit des Leistungssports. Wie ist die Serie formal in der Montage in den Film gerückt?

BRIGITTE WEICH:
Die Serie ist etwa zeitgleich mit Hana, dul, sed ... entstanden. Interessant auch, dass Frau Cha Suk, Nordkoreas einzige weibliche Regisseurin, Regie geführt hat. Es ist eine melodramatische Miniserie, durch die wir etwas aus dem nordkoreanischen Alltag erfahren konnten, den wir nie zu Gesicht bekommen haben. Es war faszinierend, diese inszenierten Menschen den echten gegenüberzustellen – ein bisschen wie zu Beginn, als ich das erste Mal nach Nordkorea kam: Da bin ich diesen „schablonenhaften“ Menschen begegnet, die entweder ständig etwas Salbungsvolles über die Führer erzählten, oder sich eher verschreckt abwendeten. Als ich dann die Fußballerinnen traf, konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass sie zu Hause solche „Schablonen“ wären. Judith wiederum hatte die Spielerinnen ja zuerst bei den Turnieren kennengelernt. Im Westen waren sie ja ganz „normale“ Fußballerinnen. Aber natürlich, als wir sie in Pjöngjang trafen, waren sie in „Kostümchen“ mit Führer-Pins am Revers, wie alle anderen Nordkoreaner:innen auch. Und dennoch steckten die coolen und lustigen und herzlichen Athletinnen drinnen, die wir im Ausland kennengelernt hatten. Die Serie wirft eine interessante filmische Themenstellung auf: Das Bild, das jemand anderes von einem macht und das Bild, das man von sich selbst hat, bringen permanent Widersprüche ins Spiel. Was ist schon Wahrheit? Das weiß man beim Filmemachen erst recht nicht. Es ging mir darum, einen Kern herauszuholen, der so weit passt, dass sich alle Seiten repräsentiert fühlen. Die Serie war für die Spielerinnen sicherlich auch ein Anstoß zur Selbstreflexion: Wer bin ich? Wie möchte ich erscheinen? Wie werde ich dargestellt? Wie werde ich wahrgenommen? Wofür möglicherweise benützt?


Welche Fragestellungen haben sich in der Montage aufgetan? Gibt es den Epilog mit klassischer Musik als paralleles Element zu Hana, dul, sed ...? Oder ergab er sich aus der Notwendigkeit einen Bogen zur Aktualität zu spannen?

BRIGITTE WEICH:
Beides. Die Montage hat uns einiges Kopfzerbrechen bereitet. Zu den verschiedenen Themensträngen – alter Film/neuer Film/TV Serie/Langzeitbeobachtung/Making of ... – kam, dass das Material unseres Drehs mit der Zeit „historisch“ wurde, weil die Finanzierung so lang gedauert hat. Ich fühlte mich wirklich beschenkt, zum einen am Set mit Judith so eine tolle Bildgestalterin gehabt zu haben, und dann im Schneideraum diese beiden Editorinnen, die das Material so zusammengeführt haben: Mona Willi, die schon so große Erfahrung mit so unterschiedlichen Regisseur:innen hatte und Barbara Seidler, frisch von der Filmakademie. Das war eine tolle Mischung. Wir waren ein diverses Team, egal ob alt oder jung, aus Österreich, Deutschland, Tirol oder Pjöngjang, jede hat einfach ihr Bestes reingetan.
Der Epilog basierte auf einer Idee von Mona. Als wir plötzlich im Lockdown waren, hat sich alles so „nordkoreanisch“ angefühlt: Ihre erste Idee war, ein Zoom-Meeting mit den Protagonistinnen aufzunehmen. So etwas ging zwar nicht, denn die Menschen haben dort privat kein Internet. Aber es war der Denkanstoß in Richtung aktuelle Bilder. Dass wir die nicht selbst drehen konnten, war klar, aber es gab bei Korfilm eine Kamera, für die Judith die technischen Settings durchgegeben hat, und wir haben Drehpläne geschickt, die sie für uns realisieren sollten. Nach mehr als einem Jahr kam von Ryom Mi Hwa die Nachricht, dass der Dreh nicht machbar sei, und darauf kam mein obligates: Okay, please keep trying. Tatsächlich hat sie offenbar das nordkoreanische Fernsehen überredet, eine kleine Doku zu machen, in der unsere Protagonistinnen vorkommen, und ich vermute, dass sie auch etwas aus unseren Drehplänen hineinreklamiert hat. Nach weiteren Monaten und als ich schon nicht mehr dran glaubte, kam per Link diese Doku, zugekleistert mit propagandistischer Musik und Sprecherstimme – völlig unbrauchbar. Doch innerhalb weniger Stunden kam wieder ein Link, diesmal von Barbara: unterlegt vom Donauwalzer, ein erster Wurf des Epilogs. Im Ende bekamen wir das cleane Rohmaterial, und Barbara hat es bis zum letzten brauchbaren Kader ausgenützt und eingearbeitet.


... NED, TASSOT, YOSSOT ... ist auch ein berührendes Dokument darüber geworden, wie die Zeit, wie ein großes Stück Leben vergeht.

BRIGITTE WEICH:
Es hatte zwischen Judith und mir immer diese Idee gegeben, sie zu filmen, wenn das Regime nicht mehr ist. Ich dachte, es würde Kim Jong Ils Tod nicht überstehen, da die Strahlkraft von Staatsgründer Kim Il Sung für einen weiteren Generationswechsel nicht reichen würde, zumal in einer durch die Globalisierung so derartig veränderten Welt. Inzwischen bin ich mir nicht sicher, ob das Regime nicht mich überleben wird. Judith wird dann allein als alte Dame nach Nordkorea reisen müssen. Ich mag persönlich Langzeitdokus sehr gerne – etwa Die Kinder von Glozow oder Volker Koepps Wittstock, Wittstock. Ich finde es spannend zu sehen, wie die Zeit vergeht, wie sich Gesellschaften verändern und Individuen mit Regimes und Entwicklungen klarkommen müssen. Unser Film ist über die verschiedensten (Un-)Möglichkeiten eine Sammlung von Bildern geworden, die ich so nicht hätte planen können. Und wiederum Dank Judiths Zauberhand und der unseres Graders Simon Graf, beim Schärfen, Stabilisieren, Farbkorrigieren ... in der Postproduktion, halten sie auch auf der großen Leinwand und decken nun diesen langen Zeitraum ab.

JUDITH BENEDIKT: Jedesmal, wenn ich eine neue Version gesehen habe, war es für mich sehr emotional, weil auch zwanzig Jahre von meinem Leben, auch von Brigittes oder Cordulas Leben drinnen stecken. Das hat man selten. Man macht wahrscheinlich auch nur einmal im Leben so ein Filmprojekt und die eigene Entwicklung spiegelt sich darin auch wider.  

BRIGITTE WEICH: Ich hätte nicht so lange dranbleiben können, wenn ich diese company in crime nicht gehabt hätte. Die Bilder und Töne bestehen ja nur dank des großen Könnens und der harten Arbeit von Judith und Cordula. Dazu kam diese seltsame, starke Emotion, die uns immer wieder mobilisiert hat. Wie die Nordkoreaner:innen sagen: Over mountains, there are mountains – nach diesem Prinzip haben wir uns vorgearbeitet bis zum fertigen Film.


Interview: Karin Schiefer
Oktober 2023























«Das Land, das Volk, der Führer gehen vor. Ein kultureller Clash: Ich traf als westliche Filmemacherin auf vier Frauen und war auf deren Leben neugierig, sie fanden mein Interesse, glaube ich, eher befremdlich. Aber das hat sich mit der Zeit geändert. Wir haben kulturell aufeinander abgefärbt.»